Zwischen Orient und Okzident – Lesung mit Hannelore Bähr

eingestellt von Simone Höhn am 16. Oktober 2017

Am 5. Oktober 2017 lud die Stadtsparkasse zur Lesung „Zwischen Orient und Okzident“ in den Stiftskeller ein. Der Themenabend war Teil der Ausstellungsreihe „Schleier und Entschleierung“, welche in mehreren Kapiteln die Geschichte des Schleiers erzählt. Zu Beginn des Abends konnte die Ausstellung in der Kundenhalle, fernab des Geschäftsverkehrs, besichtigt werden. Multimedial wurden verschiedene Facetten des Schleiers dargestellt. Im Fokus lag beispielsweise der natürliche Schleier (Nebel/Natur), sowie die heutige Modekultur („weniger ist mehr“). Danach ging das Programm im atmospärisch gestalteten Stiftskeller der Stadtsparkasse Kaiserslautern weiter.
 
Viele Kerzen, Tücher, Kleider und Gläser im orientalischen Stil sorgten für eine gute Einstimmung in das Thema. Um 19:30 begann schließlich die Lesung des Werks „Der Harem in uns“. Nach der Begrüßung durch Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Dielmann, stellte Hannelore Bähr das Werk und die Autorin Fatima Mernissi vor.

Lesung mit Hannelore Bähr"

Orientalische Kulisse im Stiftskeller

  

Fatima Mernissi und ihre Sicht auf die Welt

Diese wurde 1940 in Fès, Marokko geboren. Das Werk enthält die subjektive Sicht der Autorin auf diverse Themen bzw. Abschnitte ihres Lebens.
So wurden beispielsweise die Christen als „wild“ bezeichnet und diverse Gemeinsamkeiten zur eigenen Kultur geknüpft. Auch Marokko wurde durch eine Grenze geteilt. Diese Grenze wurde als unsichtbare Linie im Kopf bezeichnet. Soldaten zwangen Menschen an diese Grenze zu glauben. Fatima selbst konnte sie jedoch nie sehen, da Frauen nicht reisen durften. Ferner hörten Frauen auch kein Radio – die Männer hatten den Schlüssel zur Radio-Truhe. Während die Männer jedoch arbeiteten, hatten die Frauen heimlich das Radio angeschaltet und Lieder gesungen – passend dazu durften sich die Gäste im Stiftskeller an der ersten musikalischen Einlage erfreuen.

Gelungene Kombination aus Lesung, Live-Musik und Tanz

Perin Dinekli spielte auf ihrer Akustik-Gitarre und sang live dazu arabische Lieder. Verena Zoege von Manteuffel unterhielt das Publikum mit stimmungsvollem Bauchtanz, passend zur Musik. Als Zuschauer war man in einen Bann verfallen. Das Zusammenspiel aus orientalischer Kulisse, Lesung, Live-Musik mit Gesang und Tanz versetzte die Gäste an einen anderen Ort zu einer anderen Zeit.

 

Was ist das überhaupt – ein Harem?

Außerdem wurde aus dem Werk eine Erklärung zum Harem an sich gegeben. Was ist das überhaupt – ein Harem? Prinzipiell ist es ein großer gemeinsamer Haushalt, in dem der Mann mit seinen Söhnen und den Frauen lebt und wirtschaftet. Es ging darum, die Frauen wortwörtlich in dem Haus einzuschließen, aber nicht zwingend um Polygamie (was heute ein verbreiteter Fehlglaube ist). Alle Fenster zeigten zum Hof hin, Natur sahen die Frauen lediglich auf Wandteppichen. Das Haupttor wurde ständig bewacht und einen anderen Weg nach draußen gab es nicht. Lediglich wenn man gut klettern, springen und vor allem landen konnte, hatte man eine Chance über die Terrasse nach draußen zu gelangen.

Hannelore Bähr bemerkte an dieser Stelle, dass man immer an die Landung denken solle! Das war damals das wichtigste im Leben einer Frau. Nicht auf die Sprungkraft käme es an, die Landung wäre das Problem. Diverse weitere Thematiken wurden auf belustigende Art vorgetragen. Stetig unterstützt von Musiksequenzen.

Lesung "Zwischen Orient und Okzident"

Musikalisches und tänzerisches Rahmenprogramm

   
Ein weiterer interessanter Aspekt war, dass es eine unterschiedliche Auffassung des Harems gab. Wenn man Freunde und Familie einlud, Tee kochte und laut „Harem“ rief, kam es garantiert zum Eklat. „Weiber“ fingen schreiend Streit darüber an, ob der Harem nun etwas Gutes oder etwas Schlechtes war. Die Befürworterinnen argumentierten damals zum Beispiel, dass es gut sei, Frauen von der Straße fernzuhalten. Dies würde die Grundversorgung sicherstellen. Männer würden auf der Straße nur vom Arbeiten abgelenkt, wenn Frauen draußen seien – „Spaß“ (auch eine Erläuterung, was „Spaß“ sei folgte) riefe eine Hungersnot hervor – dies sei ja wohl sicher! Auch Mekka werde Haram genannt. Haram bedeute etwas verbotenes und Mekka, die Heilige Stadt, hat viele Regeln und Verbote. Es wurde ein Vergleich aufgestellt, der die Stellung des Mannes im Harem mit der Stellung Allahs in Mekka vergleicht.

 

Lesung "Zwischen Orient und Okzident"

Von links nach rechts: Hannelore Bähr, Verena Zoege von Manteuffel und Perin Dinekli

 
Durften Haremsfrauen ins Kino gehen?

Wie gehen Frauen mit ihren Sorgen um? Sie sehen sich beispielsweise die Natur an. In Fès war dies nicht möglich, da man im Harem eingeschlossen war. Also erzählten sie sich Geschichten um ihre Sorgen zu vergessen. Männer jedoch mochten diese Geschichten nicht. Sie durften ins Kino gehen und sahen dort Filme – aufregende Geschichten mit toller Inszenierung. Bei sehr erfolgreichen Filmen durften auch Frauen mit ins Kino. An diesen seltenen Freudentagen schminkten sie sich stundenlang und machten sich die Haare – nur um am Ende alles mit einem Schleier zu verdecken. Außerdem wurden prinzipiell immer zwei Reihen extra reserviert um die eigenen Frauen vor Belästigungen im dunklen Kinosaal zu bewahren.
  

Die Sicht des Harems auf den zweiten Weltkrieg

Als letzten Aspekt des Vortrages wird  die Sicht des Harems auf den zweiten Weltkrieg beschrieben. Wie sehen die Frauen aus dem Hof, mit dem kleinen Fleck freien Himmel die Ereignisse des Krieges? Zuerst einmal war klargestellt, dass es Allah ohnehin nicht gut mit den „Alemannen“ meinte. Deutschland wurde als „Schneeland“ bezeichnet, da es immer kalt sei. Daher wärme man sich dort auch ständig mit Wein. Sogar der Tee schmeckte dort bitter – teilweise war er so ungenießbar, dass man sogar Tee mit Milch trank. Es war demnach also kein Wunder, dass es Krieg gab!

Es wurde auf unterhaltsame Weise herausgearbeitet, was dort passierte, warum ausgerechnet Juden anders behandelt wurden und welche Gemeinsamkeiten es im Umgang zwischen ihnen und den Frauen in Marokko gab.

 

Fatima Mernissis Buch „Der Harem in uns“ macht Lust auf mehr

Bei einem Thema, welches auf den ersten Blick nicht jedermann anspricht, wurde das Publikum komplett mit auf eine Reise in eine andere Welt genommen. Zu gerne würde man erfahren, wie es mit Fatima weiterging, wie sie sich zu einer gebildeten Frau weiterentwickelte und wie sie diverse angeschnittene Themen in ihrem Buch komplett behandelt. Die von Hannelore Bähr vorgestellten Auszüge aus Fatima Mernissis Buch machten Lust auf mehr!

 

Autor: Tobias Keller

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